Eine Reihe von Firmen haben Mitarbeitende zumindest zum Teil aus dem Homeoffice wieder zurück ins Büro geholt – was ist aus Ihrer Sicht das richtige Maß bei Anwesenheit vs. Mobiler Arbeit?
Aus meiner Sicht gibt es kein starres „Richtig“ in Form von X Tagen Präsenz und Y Tagen Mobilem Arbeiten. Es geht vielmehr um ein passendes Maß im Dreiklang aus Tätigkeit, Team und Unternehmenskultur. Wir sehen in vielen Studien, dass mobiles Arbeiten gekommen ist, um zu bleiben – in vielen Branchen liegen wir bei zwei bis drei mobilen Tagen im Durchschnitt, während sich die Beschäftigten eher drei bis vier wünschen. Gleichzeitig zeigen Untersuchungen aber auch, dass hybride Arbeit zu sozialer Erosion führen kann, wenn man sie nicht bewusst gestaltet: Informelle Kontakte gehen zurück, neue Mitarbeitende finden schwerer Anschluss.
Das heißt: Präsenz darf kein Selbstzweck sein. Sie braucht eine Begründung – etwa für Zusammenarbeit, Innovation, informellen Austausch oder sensible Gespräche. Mobile Arbeit eignet sich dagegen besonders für konzentrierte Aufgaben, Konzeptarbeit und individuelle Vorbereitung. Viele Organisationen fahren gut mit klar definierten „Teamtagen“ im Büro und flexiblen Tagen für mobiles Arbeiten. Entscheidend ist, dass Führung an Ergebnissen und Beitrag ausgerichtet wird – nicht an der reinen Anwesenheit im Gebäude. Ein besonderer Fokus und große Herausforderung an Führungskräfte, die nicht nur Führung oder gar Kontrolle anhand von Anwesenheitszeiten im Unternehmen, sondern vielmehr an der Erfüllung von konkreten Arbeitsaufgaben oder dem Erreichen von Zielen festmachen müssen. Hierzu kommen wir insbesondere bei Punkt 2!
Welche besonderen Anforderungen stellen hybride Modelle an Führungskräfte und Mitarbeitende?
Hybride Modelle erhöhen die Anforderungen an alle Beteiligten, vor allem aber an Führung. Führungskräfte müssen stärker planen, strukturieren und kommunizieren: Wer ist wann wo? Welche Aufgaben erledigen wir besser vor Ort, welche remote? Wie stellen wir sicher, dass Informationen wirklich alle erreichen – unabhängig vom Arbeitsort? Wenn dieses „Design“ hybrider Zusammenarbeit fehlt, entstehen schnell Ungerechtigkeitsempfinden, Überlastung und Missverständnisse.
Für Führung bedeutet das aus meiner Sicht: weg von Präsenzkontrolle, hin zu klaren Zielbildern und Ergebniserwartungen. Es braucht transparente Regeln für Erreichbarkeit, Meeting-Formate und Entscheidungsprozesse – und ein aktives Gegensteuern gegen den sogenannten „Proximity Bias“, also die Bevorzugung derjenigen, die häufiger im Büro sind. Mitarbeitende wiederum müssen sich stärker selbst organisieren, Grenzen ziehen, ihre Erreichbarkeit reflektiert managen und digitale Tools souverän nutzen. Hybrides Arbeiten funktioniert nur, wenn beide Seiten diese neue Logik akzeptieren und Mitbestimmungsakteure frühzeitig eingebunden werden, damit Regelungen tragfähig sind.
Welche Rolle kann die Möglichkeit Mobiler Arbeit beim Recruiting spielen?
Beim Recruiting ist mobiles Arbeiten aus meiner Sicht inzwischen einer der größten Hebel – insbesondere in qualifizierten Wissensberufen. Viele Kandidat*innen erwarten heute zumindest einen gewissen Anteil mobilen Arbeitens. Wo das komplett fehlt, wird es – gerade angesichts des Fachkräftemangels in vielen Bereichen – zunehmend schwierig, Menschen zu gewinnen oder zu halten. Das spiegelt sich auch in Umfragen wider, in denen Unternehmen selbst angeben, dass das Streichen von Homeoffice-Angeboten die Rekrutierung erschwert.
Ich sehe mobiles Arbeiten in vielen Rollen nicht mehr als „Benefit“, auch wenn dies noch von vielen Unternehmen und Institutionen so dargestellt wird und sich in die Liste der Benefits einreiht, wie z. B. das Job- oder Dienstrad, Zuschüssen zu Kindertageseinrichtungen, Jobticket, etc.! Vielmehr gilt die Möglichkeit zu Mobilem oder Remote Arbeiten eher als Hygienefaktor: Es entscheidet selten allein über eine Zusage, aber sein Fehlen kann sehr wohl ein Ausschlusskriterium sein. Ein weiterer Punkt ist der „Rekrutierungskorridor“: Wer mobiles Arbeiten anbietet, kann größere Einzugsgebiete erschließen, Pendelzeiten reduzieren und wird für Menschen mit familiären Verpflichtungen attraktiver. Wichtig ist für mich Ehrlichkeit: Nicht jede Tätigkeit lässt sich mobil abbilden. Aber dort, wo es fachlich möglich ist, erwarten Bewerbende heute nachvollziehbare Modelle und Transparenz darüber, wie diese im Alltag tatsächlich gelebt werden – nicht nur schöne Formulierungen in der Stellenanzeige.
Welchen rechtlichen Regelungsbedarf sehen Sie auf diesem Feld?
Rechtlich haben wir in Deutschland bereits einen Rahmen aus Arbeitszeit-, Arbeitsschutz-, Datenschutz- und Mitbestimmungsregelungen. In der Praxis erlebe ich aber bei vielen Unternehmen und Beschäftigten eine gewisse Unsicherheit, weil das Thema Mobile Arbeit und Homeoffice über unterschiedliche Gesetze, Verordnungen und Vereinbarungen verteilt ist. Einen allgemeinen Rechtsanspruch auf Homeoffice oder mobile Arbeit gibt es bislang nicht; letztlich entscheiden Verträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und ggf. Tarifverträge.
Wichtig sind hier in meinen Augen die folgenden drei Punkte:
1. Möglichkeit statt Anspruch. Die Grenzen sind einerseits zu fließend, um es klar festzulegen und man darf auch Unternehmen oder Institutionen bei der Festlegung nicht zu sehr und zu starr reglementieren. Es muss ein gewisser Gestaltungsspielrahmen möglich sein.
2. Einfacher und unbürokratischer Aufwand auf beiden Seiten. Wenn Einverständnis zwischen den Betriebsparteien besteht, muss es einfach sein, sich im Rahmen der Möglichkeiten flexibel zu bewegen.
3. Konsens ist Trumpf. Egal ob bei der Festlegung von Mobilem oder Remote Arbeiten oder bei der Beendigung dieser Arbeitsform, sollte ein gemeinsames Verständnis über die Möglichkeiten oder die Rückkehr bestehen, damit der Vorteil von Mobilem Arbeiten nicht zum Nachteil werden kann und dadurch sich viele Unternehmen oder Institutionen bei der Einführung, Gewährung oder Fortführung dieser zukunftsträchtigen Arbeitsform unwohl fühlen.
Mit grenzüberschreitender Remote-Arbeit nehmen Fragen zu Sozialversicherung, Steuerrecht und Arbeitszeitregelungen zu. Hier brauchen Unternehmen praktikable und EU-kompatible Lösungen. Gleichzeitig ist mir wichtig, dass Betriebs- und Personalräte auch bei digital verteilter Arbeit effektiv mitbestimmen können – etwa bei der Ausgestaltung von Arbeitszeit, Erreichbarkeit und Techniknutzung. Rechtliche Regelungen sollten aus meiner Sicht einen verlässlichen Rahmen setzen, Mindeststandards sichern und Missbrauch verhindern. Gleichzeitig müssen sie so flexibel bleiben, dass Unternehmen gemeinsam mit ihren Beschäftigten passgenaue Modelle entwickeln können und dürfen – je nach Branche, Tätigkeit und Belegschaftsstruktur. Die Balance zwischen Schutz, Flexibilität und betrieblicher Gestaltung ist hier der entscheidende Punkt.



